Erinnerungen an E.T. 11FREUNDE

Uwe Bein machte es einem leicht. Er glitt durch die gegnerischen Defensivreihen, spielte Psse vom anderen Stern. Die Fans lieben ihn bis heute. Oder Andreas Mller, der Killer mit dem Babyface. Der spielte Powerfuball wie ihn die Liga zuvor nicht oft gesehen hatte. Und dann war ganz vorne ja auch noch Tony Yeboah, der Sturmbulle

Uwe Bein machte es einem leicht. Er glitt durch die geg­ne­ri­schen Defen­siv­reihen, spielte Pässe vom anderen Stern. Die Fans lieben ihn bis heute. Oder Andreas Möller, der Killer mit dem Baby­face. Der spielte Power­fuß­ball wie ihn die Liga zuvor nicht oft gesehen hatte. Und dann war ganz vorne ja auch noch Tony Yeboah, der Sturm­bulle mit der Durch­schlags­kraft eines Braun­koh­le­bag­gers. Sie alle standen in vor­derster Front, wenn die Lobes­hymnen auf jenen Fuß­ball 2000“ erklangen, mit dem Ein­tracht Frank­furt die Bun­des­liga Anfang der Neun­ziger auf links zog. Laut­hals prahlten sie in den Gazetten über die neue Rang­ord­nung im deut­schen Fuß­ball, drängten sich ins Ram­pen­licht, wenn mal wieder ein paar Schul­ter­klopfer mit Geld­kof­fern Kurs auf das Wald­sta­dion nahmen. Dabei wäre sie alle nur die Hälfte wert gewesen ohne ihn, Ralf Fal­ken­mayer.

Der defen­sive Mit­tel­feld­mann mit der impo­santen Natur­krause, bleibt bis heute eines der großen Mys­te­rien jener Frank­furter Jubel­jahre. Denn wäh­rend die Möl­lers und Beins für die Zau­berei zuständig waren, staub­saugte Fal­ken­mayer in ihrem Rücken den Dreck weg. Und den gab es zuhauf in der Bun­des­liga. Ruhig, unauf­fällig, zuver­lässig: Das waren die Attri­bute, mit denen man sein Spiel umschreiben konnte. Attri­bute, die sei­ner­zeit keinen Star machten, son­dern eine graue Maus. Ledig­lich sein gol­dener Ohr­ste­cker – ein Glücks­bringer, dem ihm seine Mutter einst geschenkt hatte und den er nach eigener Aus­sage nie­mals ablegte – ver­lieh seinen Auf­tritten etwas Glanz. Kaum aus­zu­denken, wel­chen Stel­len­wert ein Spieler wie Fal­ken­mayer heute, in der Glanz­zeit des Sechsers, genießen würde. In den Neun­zi­gern jedoch gebührte ihm so gut wie keine Auf­merk­sam­keit. Im Gegen­teil, in nahezu jedem Bericht über den Mit­tel­feld­mann gibt es eine Spitze über seine sei­ner­zeit bun­des­li­ga­un­ty­pi­sche Statur: 1,73 Meter groß, nur 60 Kilo­gramm schwer, vielen Beob­ach­tern war dieser schmäch­tige Hänf­ling mit der wal­lenden Mähne irgendwie suspekt.

Ein Mann ohne Lobby

Dabei erin­nern sich die Anhänger der Ein­tracht nur zu gerne an einen klas­si­schen Falke“: an den Gegen­spieler her­an­schlei­chend, blitzte er mit seinen dürren Beinen dazwi­schen, sti­bitzte den Ball, schirmte das Spiel­gerät per­fekt ab und schob es mit der Seite tro­cken weiter zu den großen Gale­risten. Jenes blitz­schnelle Umschalten galt damals als glanz­loses Bei­werk, heute jedoch ist es längst der zen­trale Moment des Spiels. Es war seine Königs­dis­zi­plin. Dass Fal­ken­mayer den­noch nie als Vor­bild für heu­tige Sechser genannt wird, ist auch seiner Schüch­tern­heit zuzu­schreiben. Einmal soll er einen Bild“-Reporter Stunden nach dem Inter­view ange­rufen haben, um sich für seine ver­meint­liche Maul­faul­heit zu ent­schul­digen: Hin­terher fallen mir immer die besten Ant­worten ein. Aber wäh­rend sie mich inter­viewen, weiß ich nicht, was ich sagen soll.“ Als der Junge aus den Sozi­al­bauten der Frank­furter Nord­west-Stadt kurz­fristig zur EM 1984 nach­no­mi­niert wurde, wun­derten sich Jour­na­listen, dass der Frank­furter sich beim Trai­ning immer so umständ­lich die Jog­ging-Hose fest­halten musste. Der Grund: Der Zeug­wart hatte dem Debü­tanten zwei Num­mern zu große Trai­nings­sa­chen aus­ge­teilt, der Jung­spund hatte sich nicht getraut, das anzu­spre­chen. Er schwieg und reihte sich in der zemen­tieren Hack­ord­nung ganz unten ein.

Und wäh­rend Medi­ziner („Selbst Paul Breitner erreichte in seinen Glanz­zeiten nicht die Spit­zen­werte Fal­ken­mayers“ / Sport­arzt Pauk Nowacki), Trainer („Er wird ein ganz Großer. Ein abso­luter Mus­ter­profi.“ / Berti Vogts) und Mit­spieler („Wir nennen ihn E.T. Weil er auf dem Feld einen außer­ir­di­schen Über­blick hat“ / Charly Körbel) von Fal­ken­mayer schwärmten, sucht man den gelernten Schwimm­meis­ter­ge­hilfen in den großen Erzäh­lungen über den Frank­furter Fast-Titel 1992 nahezu ver­geb­lich. Es scheint, als scheute er die Öffent­lich­keit genauso, wie diese ihn.

Und so war es nur sym­pto­ma­tisch, dass Ralf Fal­ken­mayer im Sommer 1996 trotz seiner großen Ver­dienste für den Verein so schnöde ent­sorgt wurde wie ein ange­ros­tetes Dienst­auto. Trainer Dra­go­slav Ste­pa­novic zählte seinen Vete­ranen öffent­lich an („Er ist ein­fach zu langsam“), ein klein­li­cher Streit zwi­schen Höl­zen­bein und Fal­ke­mayers Frau besie­gelte den Rest. Nach 16 Jahren und knapp 400 Bun­des­li­ga­spielen für die Ein­tracht war kein Platz mehr für ihn. In der Folge schlug er Ange­bote aus Mainz und Japan aus, wech­selte statt­dessen zum Regio­nal­li­gisten Ein­tracht Trier, wo er 1998 nach einem Knö­chel­bruch seine Lauf­bahn beenden musste. Er trat ab, wie er stets auf­trat: heim­lich, still, leise.

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